AK 1: Übergangsmanagement: Eine Strategie gegen den organisierten Beziehungsabbruch?
Das Thema „Übergangsmanagement“ ist in den letzten Jahren zum Megathema in der vollzugspolitischen Diskussion geworden. Tatsache ist, dass die meisten Rückfälle unmittelbar in den ersten sechs Monaten nach der Entlassung aus dem Jugendstrafvollzug stattfinden. Tatsache ist auch, dass eine strukturelle „Verzahnung“ der Entlassungsvorbereitungen der Anstalten mit den Integrationsmaßnahmen der Jugendgerichtshilfe, der Jugendbewährungshilfe und der Freien Straffälligenhilfe nur in wenigen Regionen stattfindet. Die neuen Jugendstrafvollzugsgesetze der Länder haben diese Problematik nur unzulänglich geregelt.
Spezielle Hilfeangebote zur Realisierung einer erfolgreichen Entlassung müssen erfahrungsgemäß bereits mit Haftantritt ansetzen, während der Haft situations-, zeit- und entwicklungsbedingt angepasst und nach der Haft fortgeführt werden. Es gilt, ein spezielles, den Anforderungen und Bedürfnissen entsprechendes Übergangsmanagement zu etablieren. Ein zielgerichtetes und am Jugendlichen oder Heranwachsenden orientiertes Handeln bedarf dabei unter anderem der Kenntnisse über die Zuständigkeiten involvierter Behörden und Einrichtungen sowie deren Arbeitsaufgaben, gut aufeinander abgestimmter Kommunikationsstrukturen, gegenseitiger Achtung der fachlichen Arbeit und einen den Datenschutz wahrenden Informationsaustausch.
Im Rahmen des Arbeitskreises werden Anforderungen und Hemmnisse des Übergangsmanagements diskutiert und Erfolg versprechende Ansätze vorgestellt. Dabei wird es beispielhaft auch um das Projekt „Neuanfang“ gehen, das Ende 2007 in Kooperation mit dem Verein für soziale Rechtspflege Dresden e.V. und mit Förderung durch das Sächsische Landesjugendamt im Rahmen der „Durchgehenden Betreuung im Jugendstrafverfahren Dresden (DBD)“ initiiert wurde. Nach annähernd drei Jahren liegen nun erste, vielversprechende Ergebnisse vor, die vorgestellt und diskutiert werden.
Referenten: Prof. Dr. Bernd Maelicke, Leuphana-Universität Lüneburg; Rainer Mollik,Jugendgerichtshilfe Dresden
Leitung: Dr. Eduard Matt, Senat für Justiz, Bremen
AK 2: Bedingungen für gelingende Kooperation
Junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen und eine „kriminelle Karriere“ zu verhindern, gelingt am Besten bei einer funktionierenden Kooperation aller am Jugendstrafverfahren beteiligten Professionen. Der unterschiedliche fachliche Hintergrund von Polizei, Justiz und Jugendhilfe und entsprechend verschiedene Denkweisen und Erfahrungen führen jedoch nicht selten zu Konflikten.
„Man kann nicht nicht kommunizieren!“. Gilt dann auch „Man kann nicht nicht kooperieren“? Zusammen gearbeitet wird – daran führt letztlich kein Weg vorbei – auch schlecht, wenn es nicht anders geht. Wenn für die betroffenen Jugendlichen und deren Familien so viel von unserem Engagement abhängt, deren Lebenswege eine (neue) Richtung erhalten, dann ist das allerdings nicht angemessen.
Im Rahmen des Arbeitskreises werden potentielle Konfliktfelder in der Zusammenarbeit der Verfahrensbeteiligten diskutiert und Möglichkeiten zur Optimierung der Kooperation aufgezeigt. Ziel des Arbeitskreises ist es, einen erweiterten Blick auf die Arbeitssituation vor Ort zu gewinnen und alternative Wege in Kooperationen erkennen und gehen zu können. Dabei wird auch der Blick auf die gelebte „Schattenseite“ in der Kooperations-Landkarte gerichtet: Wo Schatten ist, ist auch Licht! Das Ergebnis dieses Arbeitskreises soll nicht die Verzweiflung an der „Realität“ sein: Mit viel Engagement werden wir unsere Erfolge beschreiben, von gelingender Kooperation berichten und daraus gemeinsam Rückschlüsse für eine erfolgreiche zukünftige Praxis ziehen.
Referent: Peter Eichenauer, Institut Intasco, Dortmund
Leitung: Stefan Scherrer, AG Göttingen
AK 3: „Was habe ich eigentlich gekriegt?“ – Kommunikation mit jungen Menschen im Jugendstrafverfahren
Ein berühmtes Buch der Linguistin Deborah Tannen zur Kommunikation zwischen Männern und Frauen trägt den Titel „Du verstehst mich einfach nicht“. Dieser Titel lässt sich häufig auch auf die Kommunikation im Jugendstrafverfahren anwenden: Die Prozessbeteiligten reden aneinander vorbei, hören zum Teil nicht zu, verstehen sich nicht.
Was sind die Ursachen für diese Missverständnisse? Eine Rolle spielen der unterschiedliche Sprachstil von Jugendlichen und Erwachsenen, bildungsbedingt unterschiedliche Sprachniveaus (elaborat/restriktiv), Geschlechteraspekte im Sprachverhalten und interkulturelle Sprachprobleme.
In einem einführenden Kurzreferat soll auf generelle Ursachen von Kommunikationsproblemen eingegangen werden. Die Teilnehmenden sollen ihre Wahrnehmungen von Kommunikationsdefiziten, die sie beobachtet oder sel-ber erlebt haben, einbringen und mit den Aussagen der Kommunikationstheorie abgleichen. Wie kann Missverständnissen begegnet werden? Gemeinsam soll an Verbesserungsmöglichkeiten gearbeitet werden. Zu berücksichtigen sind Wortwahl und Grammatik, Sprechweise und Körpersprache. Wichtig ist dabei auch eine gute Verhandlungssituation. Diskutiert werden soll, wodurch sie gekennzeichnet ist und wie sie hergestellt und aufrecht erhalten werden kann.
Eine besondere Rolle spielen im Strafverfahren Frage- und Gesprächsführungstechniken. Anhand von Beispielen der Teilnehmenden sollen sie erläutert und bewertet werden.
Schließlich richtet sich der Blick auch auf die Vermittlung des Urteils. Dabei soll kritisch hinterfragt werden, inwieweit neben rationalen Argumenten Gefühlsappelle (Pathos) eine Rolle spielen.
Referentin: Ulrike Schultz, Fernuniversität Hagen
Leitung: Dr. Ineke Pruin, Universität Heidelberg/Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald
AK 4: Tatort Schule: Kooperation zwischen Schule, Polizei und Jugendhilfe
Die Schule als Ort der Bildung begreift sich als Raum für die Wissensvermittlung und Befähigung junger Menschen, Grundlagen für deren zukünftigen Lebens- und Berufsweg zu erwerben. Jedoch ist dieser Raum Schule nicht frei von verschiedenen Formen der Delinquenz und Gewalt, wie z.B. neben Diebstahl bzw. Raub („Abziehen“) und Drogenmissbrauch auch Androhungen von Gewalttaten bzw. Schädigungsabsichten von Lehrkräften oder Mitschülern. Um solche Vorkommnisse im schulischen Kontext besser bewältigen zu können, haben sich zahlreiche Schulen auf den Weg gemacht, Kooperationspartner bei den Institutionen Polizei und Jugendhilfe zu suchen.
Aber eine Kooperation zwischen den drei Institutionen Schule, Polizei und Jugendhilfe setzt ein Kennenlernen der und Verständnis für die Rahmenbedingungen der jeweiligen Organisation voraus: Welche Aufgaben, Methoden und/oder Arbeitsweisen zeichnen den jeweiligen Kooperationspartner aus? Dazu gehören nicht nur die Möglichkeiten der jeweiligen Institution, sondern auch deren Grenzen, um verfehlte Erwartungen über die Handlungsspielräume von Anfang an aufzulösen und reellen Arbeitsbündnissen Raum zu geben.
In diesem Arbeitskreis sollen zunächst Hintergründe schulischer Abläufe bei der Auseinandersetzung mit auf- und straffälligen Schülern dargestellt werden. Weiter soll gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen über die Herausforderungen einer Kooperation zwischen den verschiedenen Institutionen nachgedacht und diskutiert werden, mit dem Ziel, Anregungen für eine Weiterentwicklung zu einer lösungsorientierten Zusammenarbeit von Schule, Polizei und Jugendhilfe aufzuzeigen und festzuhalten. Es wird dabei auch darum gehen, das gegenseitige Verständnis für die jeweilige Sichtweise der Kooperationspartner auf dieselbe Fragestellung zu erhöhen und einen möglichen „neuen“ Kooperationspartner Jugendgerichtsbarkeit mitzudenken.
Referent: Achim Aschenbach, Schulpsychologisches Beratungszentrum Kirchheimbolanden
Leitung: Werner Kunath, Kriminalbeamter, Hamburg
AK 5: Neue Kooperationspartner in der Jugendkriminalrechtspflege
Im Zusammenhang mit Jugendstrafverfahren ist die Kooperation unterschied-licher Behörden und Institutionen das tägliche Geschäft und unverzichtbar im Interesse eines pädagogisch wirksamen Handelns, wie es das Jugendgerichtsgesetz vorsieht. Vor dem Hintergrund vielfältiger Problemlagen, mit denen die Klienten nicht selten konfrontiert sind – Arbeitslosigkeit, Bildungsbenachteiligung, Perspektivlosigkeit, Armut und/oder gesundheitliche Probleme – wird deutlich, dass Kooperation im Jugendstrafverfahren mehr Institutionen umfassen muss als lediglich die Jugendhilfe im Strafverfahren, die Polizei und die Jugendgerichtsbarkeit. Vielmehr ist auch eine Vernetzung mit anderen als den „klassischen“ Kooperationspartnern notwendig, etwa der ARGE bzw. dem Jobcenter, den Wohnungsbaugesellschaften und Institutionen des Gesundheitswesens. Ausgehend von den Klienten bzw. Probanden und deren typischen Problemlagen soll im Arbeitskreis ein kritischer Blick auf die Praxis und den Erfolg der bestehenden kooperativen Verflechtungen geworfen werden: Welche Akteure sind im Rahmen der Arbeit mit straffälligen jungen Menschen relevant? Stehen wir mit weiteren möglichen Partnern vor Ort in ausreichendem und verlässlichem Kontakt, um den Klienten bedarfsgerecht und zügig die erforderliche Unterstützung geben zu können? Ein Bericht aus der Kooperationspraxis der Lübecker Jugendgerichtshilfe soll Beispiel und Ausgangspunkt für gemeinsame Erörterungen sein.
Das Gebot umfassender Kooperation gilt selbstverständlich insbesondere auch für den Jugendstrafvollzug, dessen Vollzugsziel es ist, den jungen Inhaftierten zu einem Leben in sozialer Verantwortung zu befähigen. Dabei ist Kooperation vor allem im Bereich des Übergangsmanagements von Bedeutung. Im Rahmen dieses Arbeitskreises soll der Blick allerdings auf den Bildungsbereich gerichtet werden. Typische Probleme und Bedürfnisse junger Inhaftierter beim Lernen, Besonderheiten einer Inhaftierung in Bezug auf die Entwicklung der Persönlichkeit und bildungsmäßige Unterschiede zum Erwachsenenvollzug sind Arbeitsfelder der pädagogischen Arbeit im Jugendvollzug. Gerade die pädagogische Arbeit muss mit ihren Methoden ein Lernen für junge Inhaftierte ermöglichen und damit Veränderungen der Einstellung des Inhaftierten erzielen. Neue Lebensperspektiven müssen entwickelt werden, die das alte, abweichende Verhalten ersetzen. Kooperationen mit Bildungsträgern, Vernetzungen innerhalb und außerhalb des Vollzuges sind für eine so ausgerichtete Bildungsarbeit zwangsläufig erforderlich. Sie ermöglichen passgenaue Maßnahmen, die eine realistische Lebensperspektive für ein Leben in sozialer Verantwortung und Legalität sein können.
Referenten: Bernd Pastuszenko, Jugendgerichtshilfe Lübeck; Jens Rammler, Ländliche Erwachsenenbildung in der Jugendanstalt Hameln; Birgit Reichel, Jugendamt Lübeck
Leitung: Michael Sommerfel, Staatsanwaltschaft Oldenburg
AK 6: Polizeiliche Jugendsachbearbeitung: Anspruch und Wirklichkeit
Die polizeiliche Dienstvorschrift (PDV) 382 enthält grundlegende Regelungen für die polizeiliche Sachbearbeitung in Jugendsachen. Danach ist unter anderem vorgesehen, dass mit der Bearbeitung von Jugendsachen besonders geschulte Polizeibeamte (JugendsachbearbeiterInnen) oder andere „geeignete“ Polizeibeamte zu beauftragen sind, dass Minderjährige mit Zivilfahrzeugen und durch Polizeibeamte in ziviler Bekleidung nach Hause gefahren werden und dass das Jugendamt unverzüglich zu unterrichten ist, wenn bereits während der polizeilichen Ermittlungen erkennbar wird, dass Leistungen der Jugendhilfe in Frage kommen. Doch inwieweit wird die PDV 382 tatsächlich umgesetzt? Welche Rahmenbedingungen sind für eine gelingende polizeiliche Jugendsachbearbeitung notwendig? Wie gehen wir mit „neuen“ polizeilichen Maßnahmen, zum Beispiel „Gefährderansprachen“, um? Welche Fortbildung ist notwendig und zu fordern?
Polizeiliche JugendsachbearbeiterInnen sind aufgrund ihrer Aufgabenstellung und ihrer Vernetzungskontakte zu benachbarten Institutionen und Einrichtungen „szenekundige“ Beamte in Jugendsachen. Neben ihrer Verwendung im Bereich gewaltbereiter Fan-Gruppierungen zeigt sich der hohe Einsatzwert szenekundiger Beamter zunehmend auch im Zusammenhang mit sensiblen und komplexen Einsatzgebieten, wie beispielsweise bei Ermittlungen von Jugendgruppen im „rechten“ Spektrum oder bei Amok-Bedrohungslagen an Schulen, für die die JugendsachbearbeiterInnen aufgrund ihrer bestehenden Kontakte zu Schulen und ihrer Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geradezu prädestiniert sind. Diese brisanten Lagen bedürfen fachkompetenter, zeitnaher und sensibler professioneller Lösungen. Was müssen polizeiliche JugendsachbearbeiterInnen leisten, um dem Aufgabenspektrum Rechnung zu tragen? Und schließlich: Reicht die PDV 382 als Grundlage aus?
Referent: Martin Hoffmann, Kriminaldienst Dillingen/Saar
Leitung: Jürgen Kußerow, Jugendhilfe im Strafverfahren, Stadt Waltrop
AK 7: Jugendarrest: Eine kritische Bestandsaufnahme
Der Jugendarrest in Deutschland stellt sich äußerst unterschiedlich dar, den Jugendarrest gibt es nicht: Während in einem Teil der Jugendarrestanstalten offensichtlich reiner Verwahrvollzug praktiziert wird, findet sich in anderen Anstalten eine breite Palette pädagogischer Maßnahmen. Der Arbeitskreis wird sich mit der Praxis des Jugendarrestvollzugs befassen.
Welche Vorstellungen von den Auswirkungen eines kurzfristigen Freiheitsentzuges auf Jugendliche und Heranwachsende verbergen sich hinter diesen sicherlich wohlgemeinten Konzepten? Können sie wirklich die Lebensführung der jungen Menschen nachhaltig beeinflussen?
Außerdem wird auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu diskutieren sein: Jugendarrestvollzugsgesetze gibt es derzeit noch nicht, der Vollzug ist lediglich durch die Jugendarrest-Vollzugsordnung geregelt. Welche Anforderungen sind an ein Jugendarrestvollzugsgesetz zu stellen? Welche Mindeststandards sind zu erfüllen? Inwieweit ist der Gesetzgeber überhaupt bereit, Erfahrungen aus der Praxis und kriminologische Erkenntnisse zu berücksichtigen?
Referentin: Dagmar Thalmann, Direktorin am AG Müllheim und Leiterin der Jugendarrestanstalt Müllheim a.D.
Leitung: Hans-Jürgen Miller, AG Tiergarten Berlin
AK 8: Jugendliche als Opfer und Täter
Jugendliche und Heranwachsende sind die Altersgruppen, die dem höchsten Risiko unterliegen, Opfer von Gewalt oder anderen Übergriffen zu werden. Gleichzeitig stellen sie auch einen überproportionalen Anteil an den Tätern delinquenter Taten. Im einleitenden Referat wie in der nachfolgenden Diskussion soll deshalb geklärt werden, worauf diese Auffälligkeiten zurückzuführen sind. Daneben soll unter Rückgriff auf verschiedene Statistiken ein Überblick über die Verbreitung von Gewaltverhalten und dessen Entwicklung gegeben werden.
In der Medienberichterstattung wird durch die Fokussierung auf spektakuläre Gewaltvorfälle immer wieder der Eindruck erweckt, dass die Jugendgewalt steigen und immer brutaler werden würde. Bereits die Polizeilichen Kriminalstatistiken stützen diesen Eindruck nur bedingt. Verschiedene Schulstatistiken wie auch Befragungsstudien berichten sogar einen entgegengesetzten Trend sinkender Jugendgewalt. Insbesondere eine deutschlandweit repräsentative Studie, die das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen in den Jahren 2007 und 2008 unter über 50.000 Kindern und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern durchgeführt hat, ermöglicht eine verlässliche Einschätzung zur Verbreitung und Entwicklung der Jugendgewalt. Hier wurden neben dem delinquenten Verhalten auch relativ neue Phänomene wie Happy Slapping oder andere aggressive Verhaltensweisen wie Mobbing, das im Schulkontext recht weit verbreitet ist, untersucht. Zentrale Befunde dieser Studie sollen vorgestellt und diskutiert werden.
Ein Schwerpunkt soll dabei auch auf die Bedingungsfaktoren jugendlichen Problemverhaltens gelegt werden. Das Spektrum möglicher Faktoren ist sehr breit; dennoch lassen sich einige Faktoren herausheben, die von besonderer Relevanz sind. Zu nennen sind unter anderem familiale Erziehungserfahrungen oder schulbezogene Einstellungen. Darüber hinaus tragen aber auch der Gewaltmedienkonsum, bestimmte Ehrvorstellungen oder religiöse Überzeugungen zur Erklärung des Gewaltverhaltens bei. Weitere Auffälligkeiten wie Schulschwänzen oder Drogenkonsum stehen ebenfalls in einer engen Beziehung mit der Gewaltbereitschaft. Die Ursachsenanalyse bildet die Grundlage, vorhandene Maßnahmen zur Prävention von aggressivem Verhalten und mögliche neue Strategien kritisch zu diskutieren.
Referent: Dirk Baier, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Hannover
Leitung: Susanne Zinke, Stadt Kassel
AK 9: Jugend und Alkohol: Trends und Folgen
Es ist schon eigentümlich – unser eigenes Verhalten besorgt uns selten, aber andere Menschen benehmen sich oft so ungesund. Auch in diesem Sinne ist Albert Camus zu verstehen, wenn er in seiner Autobiographie formuliert: „Jugend ist nichts anderes als eine Ansammlung von Möglichkeiten“.
„Flatrate-Parties“ oder „Koma-Saufen“ sind ein Phänomen der europäischen Jugendkultur geworden. Dabei ist allerdings exzessiver Alkohol-Konsum (und auch exzessiver Konsum illegaler Drogen) weder ein exklusives Problem der Gegenwart, noch sind Phänomene des Massen-Trinkens unbedingt nur mit der Jugendkultur verbunden.
Ohnehin fragt sich, ob alle medialen Reflexe auf das derzeitige Trinkverhalten Jugendlicher realitätsgerecht sind. Das betrifft zum Beispiel die vermeintliche „Verjüngung“ von Alkohol-Konsum-Szenen und die zahlreicher werdenden Schlagzeilen über jugendliche „Koma-Säufer“ und gestiegene Zahlen der Ein-lieferungen alkoholisierter Jugendlicher in die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Ist das die Realität?
Mit Blick auf die Bedingungsfaktoren des Geschehens wären zu nennen:
- neue Vertriebs- und Werbemethoden der Alkoholindustrie, insbesondere der Spirituosenindustrie
- Adoleszenz als Lebensalter der Risikoerprobung – neben den vielen anderen Entwicklungsaufgaben
- die Beziehung von Provokation, dem Alleinstellungsmerkmal einer be-stimmten Jugendszene, und knallhartem Kommerz
- der allgemeine und tiefgreifende Wandel der Jugend-Konsum-Szene seit Anfang der 1990er Jahre
Im Arbeitskreis werden die Entwicklung des Alkoholkonsums durch Jugendliche, (veränderte) Konsummuster und Folgen übermäßigen Alkoholkonsums diskutiert.
Referent: Prof. Dr. Wolfgang Heckmann, Hochschule Magdeburg-Stendal
Leitung: Dr. Thomas Matusche, Niedersächsisches Justizministerium, Hannover
AK 10: Kindeswohlgefährdung: Ein Thema auch bei delinquenten Jugendlichen
Der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII) wurde im Jahr 2005 in das SGB VIII eingefügt. § 8a SGB VIII beschreibt, auf welche Weise Fachkräfte der Jugendhilfe im Zuge ihrer Aufgabenwahrnehmung mit Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung und bereits verdichteten Gefähr-dungseinschätzungen umzugehen haben. In der öffentlichen Diskussion wird der Fokus häufig ausschließlich auf den Kinderschutz gelegt, insbesondere Fälle gravierender Misshandlung und Vernachlässigung stehen hierbei im medialen Interesse.
Doch der Schutzauftrag gilt auch im Bereich der Jugendhilfe bzw. der Arbeit mit delinquenten Jugendlichen. Beschreiten Jugendliche in der Pubertät eigene Wege und begeben sie sich dabei auf einen devianten Lebensweg, ist ihr Start in die Verselbständigung belastet und die soziale Integration kann durch diverse Hindernisse erschwert sein. Die Jugendlichen machen dann nicht nur Probleme, sondern sie haben selbst Probleme. Nach dem Sprachgebrauch des Familienrechts kann ihr Wohl gefährdet sein (§ 1666 Abs. 1 BGB). Wann liegt eine Kindeswohlgefährdung vor, wie sind Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu erkennen?
Erste Adressaten für eine Abwendung der Kindeswohlgefährdung sind die Eltern. Ist die Erziehung ihres Kindes nicht gewährleistet, haben sie einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung (§ 27 Abs. 1 SGB VIII). Doch was nutzt ihnen dieser Anspruch, wenn sich ihr Sohn oder ihre Tochter allen Erziehungsbemühungen entzieht? Wie können Erziehungsberechtigte dazu motiviert werden, Hilfen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung in Anspruch zu nehmen? Wann ist ein Sorgerechtsentzug hilfreich und notwendig? Wann besteht die Chance, dass ein Vormund den/die Jugendliche/n besser erreicht und eine Förderung der Entwicklung organisieren kann?
Sind delinquente Jugendliche nicht mehr erreichbar, entsteht nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei den Professionellen in Jugendhilfe, Jugendgerichtsbarkeit und Polizei leicht ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht. Die Notwendigkeit solidarischer Kooperation ist erhöht, ihre Verwirklichung erschwert. Hier setzt der Arbeitskreis an und will die Möglichkeiten professioneller Unterstützung der Erziehung beleuchten und den interdisziplinären Diskurs nutzen, um Ansatzpunkte zu erarbeiten, wie die Grenzen im interinstitutionellen Zusammenspiel erweitert werden können.
Referent: Dr. Thomas Meysen, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, Heidelberg
Leitung: Jutta Elz, Kriminologische Zentralstelle, Wiesbaden
AK 11: Aktuelle Daten und Entwicklungen der Jugendgerichtshilfe in Deutschland: Nicht alles gut, aber weniger Probleme als gedacht? Das Jugendgerichtshilfeb@rometer in der Diskussion
Wie ist die Jugendgerichtshilfe/Jugendhilfe im Strafverfahren organisiert? In welche Richtung(en) entwickelt sie sich? Welche Probleme bestehen und vor allem: Welche Erfahrungen werden in der Kooperation mit der Justiz gemacht?
Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention und das Projekt Jugendhilfe und sozialer Wandel am Deutschen Jugendinstitut haben eine bundesweite Online-Befragung der Jugendgerichtshilfen durchgeführt, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Damit liegen seit zehn Jahren zum ersten Mal wieder repräsentative Daten für das vielgestaltige Arbeitsfeld Jugendhilfe im Strafverfahren/Jugendgerichtshilfe vor.
In dem Arbeitskreis werden in vier thematischen Einheiten auf der Basis der Ergebnisse der Befragung zentrale Herausforderungen für die Jugendhilfe im Strafverfahren auch vor dem Hintergrund ihres fachlichen Selbstverständnisses diskutiert:
- Organisation der Jugendhilfe im Strafverfahren: Gibt es einen Trend zur (Re-)Spezialisierung oder Entspezialisierung? Wie ernst ist eine Sozialraumorientierung gemeint? Wie stellt sich die Entwicklung der Personalsituation und -ausstattung dar? Inwieweit gibt es angemessene Angebote?
- Kooperation: Wie wird die Qualität der Kooperation bewertet? Ist das Jugendgericht der einzige Bezugspunkt? Wer sind die anderen Kooperationspartner? Wie stellen sich die Auswirkungen des § 36a SGB VIII dar?
- Jugendliche mit Migrationshintergrund: Eine besondere Herausforderung für die Jugendhilfe im Strafverfahren?
- Ein-Personen-JGHs: Stehen sie im Widerspruch zu fachlichen Ansprüchen? Was bedeutet dies für die Mitarbeiter?
Referenten: Dr. Tina Gadow, Bernd Holthusen, Dr. Sabrina Hoops & Christian Peucker, Deutsches Jugendinstitut, München
Leitung: Gitta Schleinecke, Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
AK 12: Jugendkulturen – Soziale Gegenkonzepte oder Orte der Sozialisation?
Erwachsene, die mit Jugendlichen arbeiten, stehen jugendkulturellen Eigenheiten nicht selten ratlos bis skeptisch gegenüber. Sie wissen häufig nicht, was angesagt ist und was Jugendliche beschäftigt. Warum jedoch sollten Erwachsene, die professionell mit Jugendlichen arbeiten, um deren Bedeutung wissen?
Emos, Punks, Hiphopper, Skinheads, Gothics – die Trends sind schnelllebig. Kulturelle Entwicklungen in der Lebenswelt der Jugendlichen geschehen oft ohne den Einblick von Erwachsenen. Darüber hinaus sind die Übergänge von Jugendkultur zum Lebensstil im Erwachsenenalter fließend und die Jugend ist mit dem vollendeten 18. Lebensjahr noch lange nicht vorbei. Auf dem Weg des Erwachsenwerdens bieten Subkulturen vielfältige gesellschaftliche und individuelle Experimentierfelder. Viele Einstellungen und Verhaltensweisen, die Jugendliche in ihrem subkulturellen Umfeld annehmen, prägen sie für ihr ganzes Leben. Manche der dort erlernten Werte und Normen können Risiken und Hürden für sie bergen, andere können ihnen helfen, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Und so unterschiedlich die einzelnen Jugendkulturen auch sein mögen, ihre jeweiligen Mitglieder eint ihr Enthusiasmus, ihre Subkultur mitzugestalten und Teil davon zu sein.
Nicht nur diese Energie und Kreativität, sondern auch ihre Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt können in der Arbeit mit subkulturell verorteten Jugendlichen konstruktiv genutzt werden. Schon das Wissen über Ideologien, Hintergründe und Reize der Jugendkulturen kann helfen, Beweggründe und Handeln einzelner Jugendlicher besser zu verstehen.
In diesem Arbeitskreis werden Grundlagen, Gemeinsamkeiten, Strukturen, Komponenten und Funktionen von Jugendkulturen allgemein und anhand ausgesuchter Jugendkulturen in Wort, Bild und Ton aufgezeigt und diskutiert.
Referent: Timo Rabe, Jugendamt Nürnberg
Leitung: Werner Possinger, Institut für Kriminalpädagogik, Würzburg
AK 13: Das Potential der Ambulanten Maßnahmen
Mit der Jugendstrafrechtsreform durch die Praxis erfolgte seit Ende der 1970er Jahre die praktische Erprobung und 1990 schließlich auch die gesetzliche Einführung der sogenannten Neuen Ambulanten Maßnahmen im Jugendgerichtsgesetz und im Jugendhilferecht. Ausdrückliche Zielsetzung war, die er-zieherischen Möglichkeiten der Jugendhilfe als Alternativen zu den traditionellen, insbesondere freiheitsentziehenden Maßnahmen des JGG zu stärken. Da diese Angebote der Jugendhilfe gerade die individuellen Risikopotentiale in den Lebenssituationen der jungen, massiver straffällig gewordenen Menschen in den Blick nehmen und konkrete Perspektiven zu erarbeiten suchen, sind sie insofern in spezialpräventiver Hinsicht überlegen. Bundesweit hat sich seit der Einführungsphase eine ganz unterschiedliche Palette an entsprechend bezeichneten Angebotsformen entwickelt.
Der Blick auf die jugendgerichtliche Sanktionspraxis zeigt indessen, dass die Ambulanten Maßnahmen in Form von sozialpädagogischen Jugendhilfeangeboten quantitativ aus einem Nischendasein nicht herausgekommen sind und vielfach mit Jugendarresten kombiniert werden. Aktuell scheint sich die Situa-tion zudem vielerorts zu verschärfen: Die Lebenssituationen vieler junger Menschen sind Wandlungen und wachsenden Anforderungen unterworfen, die auf zunehmende Unterstützungsbedarfe verweisen. Im Widerspruch dazu signalisieren die kommunalen Finanznöte eine abnehmende Leistungsbereitschaft, die mit den üblichen Verweisen auf zu verbessernde Kooperationen vor Ort zu kompensieren versucht wird.
Im Anschluss an eine Bestandsaufnahme des grundsätzlichen Potentials, der aktuellen Situation sowie der zentralen Probleme für die sozialpädagogischen Angebote beschäftigt sich der Arbeitskreis mit der zentralen Frage, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um die Möglichkeiten der Ambulanten Maßnahmen für die jungen Menschen, die Jugendhilfe und die Jugendgerichtsbarkeit in größerem Umfang auszuschöpfen als dies derzeit der Fall ist.
Referenten: Dr. Regine Drewniak, wissenwasgutist, Göttingen; Claus Richter, Gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit Saarbrücken
Leitung: Beate Ulrich, Jugendhilfe Wolfenbüttel e.V.
AK 14: Grundlagen und Bedingungen von jugendrichterlicher Autonomie(ausgefallen)
Autonomie gilt in jedem Beruf als ein zentrales Merkmal guter Arbeit. Meist ist mit Autonomie ein hinreichend großer Handlungs- und Entscheidungsspielraum im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit gemeint. Die richterliche Unabhängigkeit geht darüber jedoch hinaus: Sie betrifft nicht nur die sachliche oder operative Unabhängigkeit (in der Erfüllung der Aufgabe), sondern auch die Unabhängigkeit der richterlichen Rolle und Person.
Der Arbeitskreis befasst sich mit der Frage, wie diese Autonomie gewährleistet wird, auf welchen Grundlagen sie beruht und welche Bedingungen auf sie einwirken. Dazu gehören auf normativer Ebene die Grundlagen der Rechtsordnung. Auf sozialer und kultureller Ebene wirken die Erwartungen, die die Gesellschaft formuliert und die Arbeits- und Organisationsbedingungen des Gerichts und der Rechtspflege. Schließlich sind auf persönlicher Ebene das berufliche Selbstbild sowie die Entwicklung der beruflichen Kompetenz wichtige Wurzeln von Autonomie.
Der Arbeitskreis widmet sich dem beruflichen Selbstbild von Jugendrichterinnen und Jugendrichtern, das dieses gesamte Bedingungsgefüge widerspiegelt. Dazu werden normative und theoretische Modellannahmen aufgefächert, Forschungsarbeiten zum richterlichen Selbstbild referiert und schließlich auf Grundlage der eigenen Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein gemeinsames Verständnis für das Konstrukt und die Bedingungen richterlicher Autonomie entwickelt.
Ein solches Verständnis kann dazu beitragen, dass Jugendrichterinnen und Jugendrichter sich als eigenständige Profession in Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten wahrnehmen, und dass sie ihre Rolle und Aufgabe im interdisziplinären Kooperationsgefüge der Jugendkriminalrechtspflege selbstbewusst und produktiv wahrnehmen.
Referent: Prof. Dr. Michael Dick, Fachhochschule Nordwestschweiz, Olten
Leitung: Klaus Breymann, Oberstaatsanwalt a.D., Magdeburg
AK 15: Jugend-Untersuchungshaft und Untersuchungshaftvermeidung
Seit der Jahrtausendwende gehen die U-Haftzahlen in allen Altersgruppen deutlich zurück. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass im Jahr 2009 hochgerechnet 1.800 bis 2.700 Jugendliche – und davon einige Hundert 14- bis 15-Jährige – entsprechende Hafterfahrungen machen mussten. Bei den Heranwachsenden dürften es etwa zwischen 4.300 und 6.500 U-Häftlinge gewesen sein. Offizielle bundesweite Daten zur Jahresgesamtbelegung sind leider nicht verfügbar.
Angesichts der sinkenden Zahlen entsteht die Frage, ob sich nunmehr die Situation für die jungen Häftlinge verbessert hat. In den einschlägigen Beschreibungen ist seit langem häufig von unzureichenden Arbeitsmöglichkeiten, von zeitlich eingeschränktem schulischen Unterricht, von überwiegendem Aufenthalt in der Zelle, belastenden subkulturellen Strukturen und von wenig betreuender Zuwendung durch überlastete Beamte die Rede. Insgesamt gelangen die Beobachter in der Regel zu einer negativen Einschätzung der Jugenduntersuchungshaft. In dem Arbeitskreis sollen diese Umstände auf der Basis der Ergebnisse einer neueren Bestandsaufnahme genauer betrachtet werden.
Auch nach Wirksamwerden der neuen Untersuchungshaftvollzugsgesetze wird man kaum von schnellen und umfassenden Änderungen im Vollzug der Jugenduntersuchungshaft ausgehen können. Angesichts dieser Problematik erscheint es weiterhin notwendig, die Verhängung von U-Haft bei jungen Menschen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben gemäß §§ 71-72a JGG soweit wie möglich zu begrenzen.
Allerdings wird in der Praxis oft nur eine U-Haftverkürzung statt einer U-Haftvermeidung erreicht, weil unter anderem unbefriedigende Informations- und Kommunikationsstrukturen zwischen den Beteiligten, eine geringe Zahl von Plätzen in den spezialisierten Jugendhilfeeinrichtungen und unterschiedliche Vorstellungen von Justiz und Jugendhilfe die Haftvermeidungsmöglichkeiten einschränken. Am Beispiel der Jugendhilfeeinrichtungen Frostenwalde und „Neustart“ in Weißenstadt soll verdeutlicht werden, wie relativ erfolgreiche Konzepte aussehen und umgesetzt werden.
Referenten: Anja Krauß-Ranzinger, Pädagogisch-Therapeutisches Zentrum Franken, Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk; Hans-Joachim Sommer, Jugendhilfeeinrichtung Frostenwalde des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks; Prof. Dr. Bernhard Villmow,Universität Hamburg
Leitung: Christian Scholz, Richter am AG Lüneburg a.D.
AK 16: Evaluation und Selbstevaluation in der Sozialen Arbeit mit straffälligen jungen Menschen
Im Fokus des einführenden Referats steht der aktuelle Diskurs um Wirkungsorientierung und evidenzbasierte Praxis aus der Perspektive der Jugendhilfe. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass professionelle Praxis wissenschaftlich fundiert sein soll. Problematisch erscheint diese Fundierung jedoch in Form einer Wirkungsorientierung, die erstens in einen managerialistischen Steuerungsdiskurs eingebunden ist und zweitens vor allem die Wirkung spezifischer Maßnahmenprogramme fokussiert.
Der Vortrag argumentiert, dass diese Form der Wirkungsorientierung in eine Richtung weist, die vor allem in angelsächsischen Ländern als ‚actuarial justice’ diskutiert wird. Für die Jugendhilfe wird dabei zum einen eine Standardisierung und Manualisierung ihrer sozialpädagogischen Praxis nahe gelegt, zum anderen eine inhaltliche Neuausrichtung, in deren Zentrum vor allem kognitivbehaviourale Trainingsmaßnahmen stehen. Der Vortrag argumentiert, dass dies eine unmittelbare Konsequenz aus den (methodischen) Prämissen der (experimentellen) Wirkungsforschung und dem Bestreben ist, die Ergebnisse dieser Forschung als unmittelbare Praxisanleitung umzusetzen.
Auf Basis einer grundlegenden methodischen wie fachlichen Kritik solcher Versuche wird der Entwurf einer in sozialpädagogischen Kontexten angemesseneren Alternative vorgestellt, die sich als ‚evidenzbasierter Professionalismus’ beschreiben lässt.
Wie lässt sich der Erfolg sozialer Arbeit mit delinquenten Jugendlichen und Heranwachsenden messen? Welche Kriterien sind zu berücksichtigen? Kann es allein das Merkmal der Rückfälligkeit sein, das entscheidend ist? Wer gibt vor, was erfolgreiche soziale Arbeit im Kontext des Jugendstrafverfahrens ist? Diese und andere Fragen werden im Rahmen des Arbeitskreises diskutiert.
Referent: Prof. Dr. Holger Ziegler, Universität Bielefeld
Leitung: Prof. Dr. Thomas Trenczek, Fachhochschule Jena