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Bundesrat billigt Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten

STELLUNGNAHME / 6. Juli 2012

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung das Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten gebilligt. Damit wird das Jugendgerichtsgesetz nunmehr um die Möglichkeit erweitert, neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe einen zu vollstreckenden Jugendarrest von maximal vier Wochen zu verhängen. Darüber hinaus wird die Höchststrafe für Mord bei besonderer Schwere der Schuld für Heranwachsende von zehn auf fünfzehn Jahre erhöht. Schließlich wird die sogenannte Vorbewährung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Danach kann sich das Gericht die Entscheidung über die Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung für eine bestimmte Frist nach dem Abschluss des Strafverfahrens treffen vorbehalten.

Die Fachausschüsse hatten – mit Blick auf die kritisch bewerteten Regelungen zur Einführung des sogenannten Warnschussarrests und zur Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe – im Vorfeld empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. In der heutigen Plenarsitzung ist die erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zustande gekommen. Damit ist das Gesetz automatisch gebilligt.

Die DVJJ hatte die Änderungen zur Regelung der Vorbewährung begrüßt, die Maßnahmen zur Verschärfung des Jugendstrafrechts hingegen abgelehnt. In ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages verdeutlichte die Vorsitzende der DVJJ, Prof. Dr. Theresia Höynck, dass sich die mit der Einführung des Warnschussarrests erhofften Ziele nicht verwirklichen lassen werden. Sie legte dar, dass „empirisch nichts dafür spricht, dass der „Warnschussarrest“ zur Erreichung des Ziels von jugendstrafrechtlichen Interventionen, der Verhinderung von Rückfällen, geeignet ist. Auch eine andere Ausgestaltung des Arrests – die durch das geplante Gesetz nicht sichergestellt und in der Praxis nicht erwartet werden kann – dürfte an diesem Befund wenig ändern, da die strukturellen Probleme einer kurzen Freiheitsentziehung auch durch eine stärker pädagogische Ausgestaltung nur schwer abzumildern sind.“

Auch mit Blick auf die Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe wies Prof. Dr. Höynck darauf hin, dass sich die von der Bundesregierung erhofften positiven Auswirkungen nicht einstellen werden: „Das gewichtigste Argument in diesem Zusammenhang ist, dass eine Wirksamkeit der Erhöhung der Strafandrohung im Sinne der Verhinderung von Kriminalität nicht zu erwarten ist. Generalpräventiv i.S. negativer Generalprävention ist die Wirkung hoher Strafandrohungen anerkanntermaßen gering. Spezialpräventiv geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass Jugendstrafen von einer höheren Dauer als 5 Jahren nicht rein erzieherisch zu legitimieren sind.“

Die Verschärfung des Jugendstrafrechts durch die Ausweitung freiheitsentziehender Sanktionen wird nicht dazu führen, Rückfallkriminalität zu reduzieren, weitere Opfer zu vermeiden. Vielmehr ist eine Stärkung der sozialpädagogisch ausgerichteten Maßnahmen erforderlich, um sozial angemessenes Verhalten zu fördern, echte Verantwortungsübernahme und soziales Lernen zu ermöglichen und soziale Perspektiven für ein straffreies Leben zu eröffnen.

Die Stellungnahme Prof. Dr. Höynck im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum „Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten“ vom 23.05.2012 finden Sie hier.